"Eindruck" machen ohne die Integrität zu verletzten

Wie reagiere ich?

Ein Blog-Beitrag zum Überprüfen der eigenen Handlungsweise und zum Nachdenken

Es ist ein schöner Wochentag, das Leben scheint unbeschwert während der kleinen Pause im Klassenraum. Die Kinder spielen fröhlich miteinander. Alle sind emsig und beschäftigt. Die Stimmung ist heiter. Kurz bevor der Unterricht weitergeht, tritt ein Kind aufgelöst an dich heran und erklärt, dass sein Handy nicht mehr im Ranzen ist. Es habe noch kurz vor Unterrichtsbeginn eine Nachricht an seine Mutter geschickt, weil die letzte Stunde ausfallen würde. Danach hat es das Handy in die innere Tasche des Ranzens gesteckt.

Du weißt sicher, alle Kinder waren nur hier in diesem Raum – keines hat ihn verlassen und andere Kinder waren auch nicht hier.

"Mein Handy fehlt!"

"Es wurde gestohlen!"

Wie reagierst du? Wie findest du heraus, wo das Handy ist? Wer es vielleicht genommen haben könnte?

Beginnst  du zu erklären, dass das Handy wertvoll ist? Erklärst du, dass das Kind, dem das Handy fehlt, daheim Ärger bekommen wird? Belehrst du die Kinder, dass Klauen eine Straftat ist und beim Rektor angezeigt würde? Lässt du alle Taschen ausleeren und durchsuchst diese, um herauszufinden, wer das Handy eingesteckt hat? Oder hast du vielleicht schon eine Idee wer es gewesen sein könnte? …

Was nun?

... vielleicht hilft diese Geschichte weiter

Möglicherweise kann Euch die nun folgende Geschichte (gefunden bei familylab) neue Handlungsmöglichkeiten zeigen...

Zufällig begegnen sich ein älterer und ein junger Mann beim Spaziergang.

Erfreut fragt der junge Mann: „Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Paul.“ Der alte Mann überlegt und entgegnet: „Hallo Paul, nein, leider kann ich mich nicht erinnern.“ Paul beginnt zu erzählen, dass er einst sein Schüler war.

„Was tust du? Was machst du im Leben?“,  will  der alte Mann wissen. 
„Nun, ich bin Lehrer geworden.“
„Aha, wie gut, so wie ich?“, antwortet der alte Mann. 

Tatsächlich bin ich Lehrer geworden - weil Sie mich inspiriert haben!

„Nun, ja. Tatsächlich bin ich Lehrer geworden, weil sie mich inspiriert haben, so zu werden wie sie.“

Der alte Mann ist neugierig und möchte gerne wissen, womit er den jungen Mann, dazu ermutigt hat, ebenfalls Lehrer zu werden. Und der junge Mann erzählt folgende Geschichte:

„Eines Tages kam ein Klassenkamerad mit einer schönen neuen Uhr ins Klassenzimmer, und ich beschloss, dass ich sie haben wollte. Ich habe sie gestohlen, ich habe sie aus seiner Tasche genommen. Kurze Zeit später bemerkte mein Freund, dass seine Uhr fehlte und beschwerte sich sofort bei unserem Lehrer, der Sie waren. 

Sie haben sich an die Klasse gewandt und gesagt: „Die Uhr dieses Schülers wurde heute im Unterricht gestohlen. Wer auch immer sie gestohlen hat, bringt sie bitte zurück.“

Ich habe die Uhr natürlich nicht zurückgegeben. 

Türe zu - Augen zu

Als sich niemand meldete, schlossen sie die Tür und sagten, wir sollten alle aufstehen und einen Kreis bilden. Sie wollten unsere Taschen durchsuchen, eine nach der anderen, bis sie die Uhr gefunden haben. Sie sagten uns jedoch, wir sollten alle die Augen schließen, denn sie würden nur nach der Uhr suchen, wenn wir alle die Augen geschlossen hielten. Wir taten, wie uns geheißen.

Würde und Integrität

Langsam gingen sie von Tasche zu Tasche. Sie durchsuchten auch meine und fanden die Uhr darin. Sie haben die Taschen aller Schüler durchsucht, und erst als sie fertig waren, sagten sie: „Öffnet nun eure Augen. Wir haben die Uhr.“

Sie haben mich nicht verraten. Sie haben auch nicht über die verschwundene Uhr gesprochen, über Diebstahl, ... und sie haben auch nie gesagt, wer die Uhr genommen hatte.

An diesem Tag haben sie meine Integrität und Würde gerettet.

Eine Botschaft klar verstehen ohne Worte

Für mich war das der  beschämendste Tag in meinem Leben. 

Doch es war auch der Tag, an dem ich beschlossen habe, kein Dieb, kein schlechter Mensch zu werden.

Nie haben sie etwas zu mir gesagt, oder geschimpft. Sie haben mich auch nicht zur Seite genommen und mir eine moralische Lektion erteilt.

Ich habe ihre Botschaft klar verstanden.

Durch sie habe ich verstanden, was ein echter Erzieher zu tun hat.

Erinnern Sie sich noch an diese Sache?“

Man braucht nicht zu demütigen um zu lehren!

„Ja, ich erinnere mich an die Situation mit der gestohlenen Uhr, die ich in jedermanns Tasche suchte. Ich habe mich nicht an Sie erinnert, weil ich beim Suchen auch die Augen geschlossen hatte“, sagte der alte Lehrer.

Das ist die Essenz der Lehre: „Wenn man, um zu korrigieren, demütigen muss, weiß man nicht, wie man lehrt.“

Mach Eindruck!

Handle Richtig - Nicht korrekt!

Diese Geschichte beschreibt anschaulich, dass es an uns liegt,
Dinge RICHTIG zu machen bzw. in Situationen RICHTIG zu handeln.

Wir haben die Chance "EINDRUCK" zu machen.

Wir können allen Beteiligten einer Situation, eine Referenzgeschichte an die Hand geben, die getragen ist von Menschlichkeit und Weitblick. Die die Würde und Integrität ALLER wahrt und nachhaltig zu einer Verhaltensänderung beitragen kann.

Am besten klappt das, wenn wir uns gewahr sind, dass es einen eklatanten Unterschied zwischen RICHTIG und KORREKT gibt. Dafür dürfen wir gewohnte Muster verlassen, und MUTIG sein.

Richtig, zugleich beeindruckend und anders war das Verhalten des Lehrers.  

Die Wirkung dieser Handlungsweise für das innere Wachstum gigantisch!

Im Gegensatz hierzu:
Korrekt, z.B. von der Schulordnung gefordert, wäre wohl ein anderes Verhalten gewesen. Die Geschichte  von Paul uns seiner Klasse wäre mit Sicherheit anders weitergegangen... 

Viel Freude beim Beeindrucken und richtig "EINDRUCK" machen!

 

Herzlich

 

Birgit Widmann v. Rebay

 

P.S.: Wann hast Du Dich RICHTIG verhalten und "EINDRUCK" gemacht?

 

Kommentare

Liebe Birgit,

was für ein wunderbarer Augenöffner! Wir müssen eben nicht immer nur "regelkonform" handeln, wenn

es doch häufig viel nachhaltiger ist, "menschlich" zu reagieren.

Der Lehrer ist ein tolles Beispiel dafür.

Dazu fällt mir Viktor Frankl ein: "Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt die Macht unserer Wahl. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit."

Danke!

Xenia

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